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Akupunktur lindert viele Beschwerden, bei denen die Schulmedizin machtlos ist. Die Idee von der Behandlung mit kleinen Nadeln kommt aus China. Doch kann Akupunktur neben Menschen auch Tiere wie unsere Hunde und Katzen heilen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Tierheilpraktikerin Dr. Ariane Ollmann.
Akupunktur bei Hunden, Pferden und Katzen – geht denn das? Lassen sich die Tiere tatsächlich Nadeln einstechen? Halten sie still und bleiben 20 Minuten ruhig liegen oder stehen? Dies sind häufig gestellte Fragen, die ich höre, wenn ich erzähle, dass ich mit Akupunktur bei Groß- und Kleintieren arbeite. Viele Erklärungen sind nötig, was aber auch zeigt, dass Tierbesitzer großes Interesse an dieser Heilmethode aus dem “Reich der Mitte” haben.
Ursprung
In China hat die “Traditionelle Chinesische Medizin” (kurz TCM) eine jahrtausendealte Tradition. Genauer gesagt: seit ca. 10 000 Jahren werden dort Erfahrungen in der Behandlung von Erkrankungen durch Einstechen mit Nadeln gesammelt. Dabei ist die Akupunktur nur eine der fünf Säulen, auf die sich die TCM stützt. Hauptsächlich wird dort mit Mixturen aus chinesischen und westlichen Pflanzen, Mineralien und vielem mehr behandelt. Daneben kommen Tuina (Massagetechnik), Diätetik (Ernährungslehre) und Qigong (Körper- und Atemübungen) zum Einsatz. Die heutigen Erkenntnisse über die Verläufe der sogenannten Meridiane wurden durch das De-Qi-Gefühl gewonnen, was häufig als Kribbeln beschrieben wird. Es entsteht beim Einstechen der Nadel. Diese Empfindung verläuft oft entlang des gesamten Meridians. Die Akupunkturpunkte sind entlang von 12 Meridianen auf dem Körper verteilt und verschiedenen Organen und Funktionskreisen zugeordnet. Die Akupunkturpunkte sind tatsächliche Punkte, bzw. Löcher in den Unterhaut- und Muskelfaszien, durch welche die Nerven, Blut- und Lymphgefäße durchtreten. Faszien sind “Häute”, welche die Organe, Muskeln und Sehnenfasern umhüllen, damit diese bei Bewegung gut aneinander vorbeigleiten können.
Behandlung
Bei der Behandlung von Erkrankungen mittels Akupunktur wird nun versucht, das Energieflusssystem des Körpers entlang der Meridiane an den Akupunkturpunkten, durch das Einstechen von Nadeln zu beeinflussen. Je nachdem was man erreichen möchte, eine schmerzende Region beruhigen oder ein geschwächtes Organ stärken, kann man sowohl stärkende/tonisierende als auch beruhigende/sedierende Nadelungen durchführen. Das Ergebnis hängt von der Verweildauer der Nadeln (5 min oder 20 min), der Nadeldicke, der Stichrichtung (im oder gegen den Meridianverlauf) und anderen Nadeltechniken ab. Die eingesetzten Nadeln sind extrem dünn und aus Metall (sterile Einwegprodukte).
Laserakupunktur
Besonders schonend ist die Akupunktur mit dem Laser. Anstelle des Einstechens von Nadeln wird bei dieser Therapiemethode das Licht eines Laserstrahles verwendet, um einen Akupunkturpunkt zu stimulieren. Dies kann besonders bei sehr sensiblen oder ängstlichen Tieren vorteilhaft sein. Durchschnittlich werden die einzelnen Punkte ca. 20 Sekunden mit dem Laser, der direkt auf der Haut aufgesetzt wird, bestrahlt. Bei der Behandlung mit energiereichen Lichtstrahlen (Laser) wird eine sogenannte Photobiostimulation im Gewebe ausgelöst, wobei Gewebezellen mit Energie versorgt werden, was zu einer Anregung ihres Stoffwechsels führt. Laserenergie führt außerdem zu einer verstärkten Durchblutung, einer lokalen Anreicherung von weißen Blutkörperchen/Leukozyten (Teil des Immunsystems), einer Aktivität von körpereigenen Fresszellen (Phagozytose = “Fressen” von körperfremden Material) und einer Wachstumshemmung von Bakterien. Dadurch werden abgestorbene Zellen und entzündungsauslösende Faktoren aus dem erkrankten Gewebe schneller entfernt.
Wirkung
Beim Einstechen einer Nadel wird neben lokalen Effekten eine Wirkung im gesamten Organismus oder dem Meridian zugeordneten Organsystem erzielt. Dies geschieht über die aus dem Rückenmark austretenden Spinalnerven, die zu den Organen ziehen und wieder mit dem Gehirn verschaltet sind. Man spricht hier von Segmentalreflektorik. Direkt an der Einstichstelle der Nadel ist nach der Akupunktur eine verstärkte Durchblutung nachweisbar. Diese wird durch im Gewebe freigesetzte Botenstoffe aus Nervenzellen (Neuropeptide) hervorgerufen und beschleunigt Reparaturprozesse im Gewebe. Zusätzlich werden auch Endorphine freigesetzt, welche angehäuft werden und für eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung sorgen, deren Effekt Wochen und Monate anhalten kann. Besonders hilfreich ist die schmerzlindernde Wirkung des freigesetzten Stoffes Adenosin, dessen Ausschüttung durch das Drehen der Nadel alle fünf Minuten verstärkt wird.
Wie kann man denn Organe durch Akupunktur behandeln? Dies ist möglich, da der Rumpf von Säugetieren sich durch hintereinander liegende, gleichartige Abschnitte (Segmente) aufbaut. Jedem Segment sind nun ein bestimmter Hautabschnitt, ein Teil der Muskulatur, des Skelettes oder der Knochen und bestimmte Organe zugeordnet. Da diese Segmente (Haut, Muskel, Knochen, Organ) durch Blutgefäße und Nervenbahnen verbunden sind, können alle Segmente über das Hautareal mit behandelt werden. So kann eine schmerzhafte Stelle auf der Haut zum einen bedeuten, dass ein Problem nur im Hautbereich vorliegt, aber es könnte auch bedeuten, dass das dem Hautbezirk zugehörige Organ, der Knochen oder der Muskel erkrankt ist. Dies ist nur durch die gesamte Diagnose aller klinischen Befunde zu klären. So kann man auch verstehen, warum ein Bandscheibenvorfall im Segment des Magens (Brustwirbel Nr. 12) zu einer Magenerkrankung führen kann.
Akupunkturbehandlung bei Tieren
Um zur Anfangsfrage zurückzukehren: Ja, die Tiere lassen sich das gefallen und genießen es sogar, denn innerhalb kürzester Zeit setzt ein tiefenentspannender Effekt ein, der die Tiere zur Ruhe kommen lässt und viele sogar dabei einschlafen. Die Erfolge sprechen für sich und die meisten Tierbesitzer sind überrascht wie schnell und auffällig Besserungen eintreten. Die meisten bereits am nächsten Tag, aber oft sind Veränderungen im Krankheitsbild noch nach bis zu drei Wochen zu beobachten. Die Akupunktur ist eben eine regulierende, sanfte Therapie, die zum Ziel hat, den Körper milde auf lange Sicht umzustellen und in einen stabilen, gesunden Zustand zurückzuführen.
Je nach Dauer der Erkrankung geht die Heilung ebenso schnell oder langsam vonstatten. Ein Beispiel für eine akute Erkrankung, die jeder Hundebesitzer kennt: der Hund hat Durchfall. Vielleicht hat man ihn sogar noch beim Fressen von irgendetwas Undefinierbarem gesehen, konnte es aber nicht mehr verhindern. Das Resultat ist eine unruhige Nacht und meist ein unglücklicher Hund. In einem solchen Fall kann man eine spontane Besserung direkt nach der Akupunktur erwarten, die in einem solchen Fall oft nur einmal durchgeführt wird. Anders sieht es bei lange bestehenden, chronischen Erkrankungen aus, wie z.B. die Chronisch Obstruktive Bronchitis des Pferdes. Natürlich muss hier eine langfristige Behandlung durchgeführt werden, mit mehreren Akupunktur-Terminen.
Allerdings ist die Grundidee der Akupunktur, die Entstehung von Krankheiten im Anfangsstadium aufzuspüren und zu verhindern, also die Prophylaxe. Durch Abtasten von sogenannten Zustimmungspunkten können beginnende Funktionsstörungen erkannt und durch die Nadelung reguliert werden.
Es ist immer wieder schön zu sehen, dass Tierbesitzer an Hintergrundinformation interessiert sind und die Akupunktur immer mehr Akzeptanz im westlichen Therapie-Alltag erhält.