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Die Leinenführigkeit beim Hund - Halsband oder Geschirr?

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Der Frust mit der Leine

Ein erholsamer Spaziergang mit dem Hund, für viele nur ein Traum. Denn die Realität sieht oft so aus: Der Hund zieht und der Spaziergang wird zu einem Kraftakt! Wieso ist es für Hunde so schwer an der lockeren Leine zu gehen? Die Leine bedeutet für den Hund eine enorme Einschränkung, die in seinem biologischen "Programm" so nicht vorkommt. Er kann sich von Natur aus setzen oder legen, aber er kennt es nicht, an der Leine zu gehen. Wir verlangen dem Hund ein Verhalten ab, welches für ihn unnatürlich ist. Wie schwer es ist, dem Hund das Laufen an der Leine beizubringen, sieht man auch daran, wie viele Hilfsmittel es hierzulande auf dem Markt gibt: Halti, Halsbänder, Gentle-Leader, Geschirre, Stachelhalsbänder, Würgehalsbänder, uvm.

Warum aber zieht der Hund an der Leine?

Eine Antwort lautet: Der Hund hat es nie gelernt, nicht zu ziehen. Außerdem ist Ziehen selbstbelohnendes Verhalten, denn der Hund kommt dahin, wohin er möchte: Weil wir ihm folgen. Auch unsere Stimmung trägt dazu bei, wie ein Spaziergang verläuft. Sind wir gestresst, überträgt sich das auf den Hund. Das Ergebnis kennen wir: Unser Arm wird lang und länger und der Hund röchelt sich die Seele aus dem Leib. Sehen Sie den Spaziergang nicht als lästiges Übel an, das Sie möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Bei dieser Laune hält sich kein Hund gerne in unserer Nähe auf.

Ist es Ihnen auch aufgefallen, dass Hunde meistens zu Beginn stark ziehen? Zu diesem Zeitpunkt ist die Erregung sehr hoch. Aufgeregte, gestresste oder überforderte Hunde können sich nicht mehr auf Sie und die Leine konzentrieren.

Schauen wir uns einmal Hilfsmittel genauer an, die dem Hund das Ziehen abgewöhnen sollen. Stachelhalsbänder, Würgehalsbänder, Halti, die Liste ist lang. Wagen Sie den Selbstversuch: Legen Sie sich ein Würgehalsband um und lassen Sie es von jemandem ruckartig ziehen. Tatsache ist, dass manche Hunde durch das Ziehen einem Schmerz entfliehen wollen. Wenn diese Hilfen so wirksam wären, müssten sie nach kurzer Zeit ihren Zweck erfüllt haben. Wieso tragen manche Hunde aber ihr Leben lang ein Würgehalsband? Weil Hunde nur dann gut lernen, wenn sie für richtiges Verhaltenbelohnt werden, sonst werden sie trotz Schmerzen weiter ziehen.

Der Einsatz dieser "Geh"-Hilfen birgt außerdem die Gefahr von Verletzungen des Kehlkopfs, der Schilddrüse, des Bindegewebes, der Halswirbelsäule sowie einer Behinderung der Blut- und Sauerstoffzirkulation. Und nicht nur das: Unsere Hunde lernen durch direkte Verknüpfung. Hier ein Beispiel: Ihr Hund zieht, wenn er einen Hund sieht und Sie reagieren mit einem Leinenruck. Über kurz oder lang lernt ihr Hund den Schmerz mit dem Anblick anderer Hund zu verknüpfen und wird gegenüber Artgenossen an der Leine immer aggressiver reagieren. Stellen Sie sich vor, Sie werden jedes Mal gewürgt, wenn sie einen Jogger sehen. Sie würden einen großen Bogen um jeden Jogger machen. (In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Ihrem Hund das Ziehen an der Leine abgewöhnen.)  

Geschirr oder Halsband?

Geht es bei der Frage ob Halsband oder Brustgeschirr um unseren persönlichen Geschmack oder sollten nicht gesundheitliche Aspekte ausschlaggebend sein? Einen Hund am Halsband zu führen bedeutet immer, ihn über die Halswirbelsäule zu führen. Der Hals des Hundes ist ein sehr sensibler Bereich, wie beim Menschen auch. Dort sitzen die Schilddrüse, der Kehlkopf und empfindliches Bindegewebe.

Folgende gesundheitliche Folgen können durch das Tragen eines Halsbandes entstehen:

  • Kehlkopfentzündungen
  • Husten
  • Chronisches Röcheln
  • Rückenerkrankungen
  • Halswirbelerkrankungen
  • Bandscheibenvorfall
  • Erkrankungen des Bewegungsapparates

Ebenso gilt es soziale Aspekte zu berücksichtigen:

  • Der Hals spielt im Sozialverhalten der Hunde eine bedeutende Rolle.
  • Durch das Ziehen am Halsband verändern wir die Körpersprache des Hundes, indem wir seinen Hals anheben. Das kann auf entgegenkommende Hunde bedrohlich wirken und zu Pöbeleien führen.
  • Leinenrucken führt häufig zu negativen Verknüpfungen, so dass manche Hunde regelrecht zu leinenaggressivem Verhalten "erzogen" werden. Ziehe ich jedes Mal am Halsband, wenn mein Hund zu einem Artgenossen möchte, verknüpft er den Anblick des Hundes mit dem unangenehmen Leinenruck und wird im Laufe der Zeit immer aggressiver auf Hunde reagieren.

Nun gibt es einige Vorurteile, mit denen ich immer wieder in Bezug auf Brustgeschirre konfrontiert werde.

"Geschirre sind doch nur was für kleine Hunde." - Brustgeschirre gibt es in allen erdenklichen Größen und sind ein Aspekt der artgerechten Hundehaltung. Sie sind keinesfalls nur für kleine Hunde gedacht.

"Geschirre führen zu Haltungsschäden." - Ja, aber nur dann, wenn ich meinen Hund ständig ziehen lasse. Ein Geschirr ist kein Freifahrtschein, den Hund ziehen zu lassen. Es dient zur Entlastung des Halses, aber das Laufen an der lockeren Leine muss der Hund dennoch lernen. Haltungsschäden wären in diesem Fall beim Halsband ebenfalls garantiert.

"Im Geschirr kann ich meinen Hund nicht halten." - Viele Hunde ziehen aber am Halsband deutlich stärker, weil sie dem unangenehmen Druck am Hals entkommen wollen. Viele Hunde, die vom Halsband auf das Geschirr umgestellt werden, laufen in den ersten Tagen viel entspannter, so dass man dies als guten Trainingseinstieg nutzen kann.

Ein genauso wichtiger Aspekt ist, dass ich meinen Hund in Gefahrensituationen besser festhalten kann, indem ich nach dem Rückensteg greife. Dort habe ich den Hund besser im Griff als am Halsband und der Hund fühlt sich nicht bedroht. Soll mein Hund z.B. aus dem Kofferraum springen, kann ich den Sprung durch das Festhalten am Rückensteg abfedern.

Ich persönlich führe jeden Hund von Welpenbeinen an ausschließlich am Brustgeschirr. Selbst ein Hund, der nicht zieht, kann sich einmal erschrecken, spontan einer Katze hinterher laufen wollen, abrupt stehenbleiben, etc. Ein Ruck oder Zug muss nicht mit Absicht geschehen, lässt sich aber im Alltag nicht zu 100 Prozent ausschließen. Mit einem Brustgeschirr gehe ich nicht die Gefahr ein, dass mein Hund Verletzungen davon trägt. Geschirre gibt es inzwischen für jeden Geldbeutel von 15 € aufwärts und sogar Maßanfertigungen sind möglich.

Wie sitzt ein Geschirr richtig?

Es sollte eine Handbreit hinter dem Ellenbogen liegen (bei kleinen Hunden entsprechend etwas weniger als eine Handbreit), auf keinen Fall sollte es direkt in den Achseln sitzen. Der vordere Ring am Brustgeschirr (wenn vorhanden) darf nicht auf das Brustbein drücken. Am Besten sitzt de Ring darüber oder darunter. Der Bruststeg lässt sich bei den meisten Geschirren individuell auf das richtige Maß einstellen.

Läuft der Hund merklich unwohl in seinem Geschirr, sollte man schauen, ob es wirklich korrekt sitzt oder hinter den Beinen wehtut. Welche Trainingsmethode empfehle ich? Kaufen Sie dem Hund ein Brustgeschirr, um den Hals zu entlasten. Üben Sie konzentriert in kleinen Schritten von maximal zehn Minuten pro Trainingseinheit und beginnen Sie ohne Ablenkung im Haus. Angekündigte Richtungswechsel werden abwechselnd kombiniert mit Stehenbleiben, sobald der Hund zieht. Erst, wenn er die Leine locker lässt, geht es weiter. Jedes lockere Laufen an der Leine wird belohnt.

Dies sind nur einzelne Aspekte sowohl der Ursachen als auch des Umlernens und es gibt kein Patentrezept. Training muss in erster Linie individuell sein. Jedes Mensch-Hund Team ist anders und Umlernen braucht Zeit, Geduld und Respekt vor Ihren Bedürfnissen und denen Ihres Hundes. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Spaziergänge und geben Sie Ihrem Hund Raum, seinen hündischen Interessen nachzugehen. Eine vertrauensvolle Beziehung ist die Basis für ein erfolgreiches Training und einharmonisches Miteinander zwischen Zwei- und Vierbeinern. Fragen können Sie gerne über die E-Mail Adresse respektier@t-online.de an mich persönlich richten. Viel Spaß beim Spazierengehen.

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